Laudatio für Ulrich Freund

Ein kleines Geschenk für Ullrich Freund.

Lieber Ullrich, zunächst möchte ich Dir im Namen der ghyps die herzlichsten Glückwünsche zu diesem Preis überbringen und mich auch bei Dir bedanken für Deinen Einsatz in den letzten 20 Jahren. Die Jahrestagungen der M.E.G. in Bad Orb sind in dieser Zeit auch für viele Schweizer Kolleginnen und Kollegen zu einem jährlichen Treffpunkt geworden.

Ich habe Dir aber auch noch ein persönliches Geschenk mitgebracht, das gerade erst letzte Nacht fertig geworden ist: Eine empirische Märchenstudie!

Ich habe alle Märchen untersucht – mit N = Alle, was – nebenbei bemerkt – an sich schon einmalig sein dürfte in der Welt der empirischen Forschung!

Wie gesagt, ich habe alle Märchen untersucht, die ich kenne, ob darin die Rolle eines Freundes vorkommt und wenn ja, mit welcher Funktion und Wirkung. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Bei keinem dieser fünf Märchen taucht auch nur die Spur eines Freundes auf. Aber schauen wir uns das genauer an:

Nehmen wir zum Beispiel den Igel, der ja wirklich immer schon da ist, wenn der Hase ankommt. Aber kann man ihn auch nur im Entferntesten als Freund des Hasen bezeichnen? Ich glaube nicht!

Oder nehmen wir den treuen Heinrich, dessen Herz schlussendlich befreit wird. Er ist wirklich zugewandt als treu ergebener Diener, der aber nie in die Handlung eingreift.

Hänsel und Gretel wiederum unterstützen sich gegenseitig als Geschwister, die im selben Boot, bzw. bei derselben Hexe festsitzen. Sie handeln als Leidensgenossen in der Not und nicht als Freund des anderen.

Überlegen wir uns andererseits, was passiert wäre, wenn Rotkäppchen auf dem Weg zur Grossmutter einem Freund begegnet wäre. Wahrscheinlich wäre sie dann nicht vom Wolf gefressen worden und das Märchen damit eher langweilig. Eine gefressene Grossmutter alleine ergibt nicht soviel Spannung für lauschende Kinderohren.

Zuletzt, lieber Ullrich, stelle Dir vor, ein Freund hätte sich während dem 100- jährigen Schlaf um Dornröschen gekümmert – selbstlos versteht sich – wie hätte das wohl auf den Prinzen gewirkt?

Auch wenn die Ergebnisse der Kontrollgruppe noch ausstehen – ich kenne jemand, der auch fünf Märchen kennt – können wir zusammenfassend mit ziemlich absoluter und wahrscheinlich 100% iger Sicherheit folgern:

Der Freund ist der natürliche Feind dramatischer Krisen im Märchen.

Oder umgekehrt formuliert: ein Freund ist ein guter Schutz vor allzu dramatischen und bedrohlichen Entwicklungen.

Daher möchte ich eigentlich nicht nur Dir, lieber Ullrich, zu diesem Preis gratulieren, sondern vor allem der M.E.G. zu ihrem Freund!

Herzlichen Glückwunsch!

 
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