Wilhelm-Gößling / Schweizer / Dürr / Fuhr / Revenstorf
Hypnotherapie bei Depressionen. Ein Manual für Psychotherapeuten.

Kohlhammer: Stuttgart. 2020 - 210 Seiten, kartoniert, ISBN: 978-3-17-036256-7

 

Die Milton Erickson Gesellschaft für klinische Hypnose (M.E.G.) hat zu ihrem 40. Geburtstag eine groß angelegte empirische Studie zur Wirksamkeit der Hypnotherapie in der Therapie von Depressionen finanziell gefördert, die von einem Team aus Hypnotherapeut*innen und Wissenschaftler*innen unter Leitung des Tübinger Prof. Anil Batra durchgeführt wurde. Im Vergleich zum derzeitigen „Gold Standard“, der bei Depressionen hochwirksamen Kognitiven Verhaltenstherapie, zeigte Hypnotherapie eine gleich hohe Effizienz. In diesem Buch sind die der Studie zugrunde liegenden manualisierten, empirisch überprüften, hypnotherapeutischen Interventionen (30 Module) von verschiedenen in Praxis, Supervision und Ausbildung ausgewiesenen M.E.G. Referent*innen wiedergegeben. In den Geleitworten äußern sich Wegbereiter der deutschen M.E.G.: der Gründungsvorsitzende Burkhard Peter weist darauf hin, dass dieses Manual sowohl praxisrelevant als auch theoretisch fundiert und wissenschaftlich evaluiert sei. Gunther Schmidt macht darauf aufmerksam, dass sich damit die Seriosität der modernen Hypnotherapie enorm erhöht habe und es durch die stringente Systematik ein logisch präzise aufbereitetes praktisches Vorgehen darstellt, das die wesentlichen Grundaspekte moderner Hypnotherapie beinhalte. Bernhard Trenkle, der derzeitige Präsident der International Society of Hypnosis ISH, merkt an, dass es in der Studie darum ging, ein eigenständiges hypnotherapeutisches Manual zusammenzustellen und zu evaluieren, was gelungen sei, und eine wirkliche Pionierarbeit darstelle, denn bislang habe man Hypnose eher als Ergänzung zu anderen Verfahren erforscht. Kristina Fuhr setzt sich einleitend mit den der Studien zugrundeliegenden diagnostischen Leitlinien auseinander, sowie dem Stellenwert der Hypnotherapie (es wurden insgesamt 152
Patient*innen randomisiert). Prof. Dirk Revenstorf, einer der geistigen Väter dieser Studie, stellt wesentliche Grundlagen der Hypnotherapie dar, v. a. die Haltung des Therapeuten, hypnotherapeutische Basisstrategien, Überschneidungen zur Kognitiven VT und die explizite Nutzung von therapeutischen Geschichten und Metaphern. Claudia Wilhelm-Gößling, neben Cornelie Schweizer und Kristina Fuhr eine der Mütter dieser Studie, widmet sich dem psychotherapeutischen Hintergrund der hypnotherapeutischen Depressionstherapie und benennt Therapieziele, beschreibt die hypnotherapeutischen Techniken des Manuals und nötige Anpassungen an die Ich-Struktur (OPD) der Patient*innen. Weiter wird gezeigt, wie depressive Symptome genutzt werden und die Module phasenorientiert zum Einsatz kommen können. Einen Überblick über die Module gibt ein Ablaufschema, das an individuelle Besonderheiten angepasst werden kann.

Im Teil B wird der Ablauf einer hypnotherapeutischen Depressionstherapie detailliert beschrieben: Vom „Anfang der Therapie“ (Motivierung, Basisinformationen, erste Tranceerfahrungen, Sicherer Ort) zu „Entlastung, Stärkung und Ressourcenaktivierung“ (Ballonfahrt, Einflechten, Kompetenzstärkung, Loslassen, Lösungserfahrungen, Zukunftsprojektion, Lösungsvision Kinotechnik, Ziele verwirklichen) hin zu „depressionsspezifischen Techniken“ (Paradiesort, Grübeln, wieder einschlafen, Kindheitserfahrungen, Ballonfahrt, Kompetenzerfahrung, Stellvertreter-Technik, Genug-Ort, Interaktionsmuster, vom Grübeln zum Handeln, Sinnfindung, Suizidalität, Neutralisieren lebensfeindlicher
Botschaften, Kriseninterventionen bei akuter Suizidalität) bis zu „Zwischenstand“ und „Abschluss der Therapie“ (Rückfallprophylaxe, Utilisieren von Symptomen, Zeitprogression, Abschluss).

Die Kapitel sind von verschiedenen erfahrenen Praktiker*innen der M.E.G. geschrieben, die z.T. auch Ausbilder*innen sind: Dirk Revenstorf, Bernhard Trenkle, Cornelie Schweizer, Elsbeth Freudenfeld, Kristina Fuhr, Claudia Wilhelm-Gößling, Martin Braun, Clemens Krause, HeinzWilhelm Gößling, Ortwin Meiss, Wolfram Dorrmann.

Das Buch beinhaltet auch umfangreiche Online-Materialien (Karteikarten, Arbeitsblätter, Metaphern). Bislang gibt es keine derart strukturierte manualisierte Zusammenfassung hypnotherapeutischer Depressionstherapie. Milton Erickson betonte bekanntlich sehr stark den individuellen Charakter einer Therapie, was einer Manualisierung entgegensteht. Die Fülle der beschriebenen Interventionen ermöglicht jedoch gerade dieses, nämlich je nach Situation der Patient*in das passende Element auszuwählen. Alles das macht dieses Buch einmalig. 

Peter Stimpfle - Diplom-Psychologe (Univ.), Psychologischer Psychotherapeut (approb.) Klinischer Hypnotherapeut (M.E.G.), Systemischer Therapeut


Der wissenschaftliche Original-Artikel dieser Studie ist inzwischen auch erschienen: Fuhr, K., Meisner, C., Broch, A., Cyrny, B., Hinkel, J., Jaberg, J., Petrasch, M., Schweizer, C., Stiegler, A., Zeep, C., & Batra, A. (2021). Efficacy of hypnotherapy compared to cognitive behavioral therapy for mild to moderate depression - Results of a randomized controlled rater-blind clinical trial. Journal of Affective Disorders, 286, 166-173. doi: https://doi.org/10.1016/j.jad.2021.02.069

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