Laudatio für Prof. Dr. Oskar Bernd Scholz

Oskar wuchs als Sohn eines Müllers mit vier Geschwistern in Freiberg in Sachsen auf. Er wollte gern Lehrer werden, aber das Geld der geschiedenen Mutter reichte nicht für die Oberschule und so wurde er Handwerker und formte im nicht weit entfernten Meissen Henkel und Untertassen aus feinem Porzellan.
Sein Meister erkannte jedoch, dass er zu etwas anderem berufen war. An der Arbeiter- und Bauern Fakultät in Potsdam holte er das Abitur nach und wollte nun Augenarzt werden - doch erwiesen sich die Augen als farbenblind und so musste Oskar eine zweite Widrigkeit in seinem akademischem Aufstieg hinnehmen. Aber es kam noch ärger. Zwar begann alles weitere zunächst gut. Er erhält einen von nur 10 Studienplätzen in der Psychologie bei Herrn Gottschalk und später bei Klix an der Humboldt Universität. Nach aller strengen naturwissenschaftlichen Grundausbildung in Biologie und Mathematik, die er unter Humboldts geistigen Fittichen genießt, will Oskar unbedingt auch die Abgründe der Seele eindringen und arbeitet mehr als zehn Jahre als Klinischer Psychologe erst als Assistent an der Karl Marx Universität in Leipzig und später als leitender Psychologe in der Psychiatrie Berlin Herzberge. In Leipzig wurde es unerfreulich, denn die Hausherren dort waren zerstritten; doch sein Förderer Prof. Klix an der Humboldt Universität beschafft ihm eine Assistenz in Berlin. Dort promoviert er über Ingenieurspsychologie und findet heraus wie man verhindert, dass die Genossen bei langweiligen Überwachungsaufgaben in den Produktionsstätten eines sozialistischen Staates einschlafen. Für diese Arbeit wird er mit einem Preis ausgezeichnet.
Man kann sich fragen, wie ein so streng methodischer Forscher an den Gegenstand der Hypnose geraten ist. Aber das ist ziemlich nahe liegend, da im marxistischen Deutschland vor der Wende die russische Psychologie präsent war und die Hypnose in der traditionellen Form a la Pavlov ein selbstverständlicher Bestandteil der Studiums war war. So gehörte es auch zu den akademischen Prüfungen, unter Hypnose den Kommilitonen ein Kanüle durch den Unterarm zu stechen. Wer schrie fiel durch. Zu seiner Überraschung musste Ossi später im Westen in seiner Vorlesung von der marxistischen Linken lernen, dass Hypnose ein patriarchales Instrument der Ausbeutung sei (was auf die Bühnenhypnose durchaus zutrifft).
Oskar ist ein Dissident. Nicht, dass er die Trommel schlägt; doch er steht zu seinem Glauben und geht regelmäßig in Marienkirche. Es mag ihm später zu himmlischen Beistand verholfen haben, aber den Genossen war es suspekt und sein Schreibtisch wird ins Zimmer des Parteisekretärs verfrachtet, wo Oskar unter den Augen des SD seine sozialistische Gesinnung zu beweisen hat - was ihm nicht behagt. Er kommt unter Druck; er steht vor der Alternative in die Partei einzutreten oder auf die Habilitation zu verzichten. Die akademische Spitze sollte in der DDR linientreu bleiben. In seiner Verzweiflung paddelt er in dunkler Nacht in die Nebel der Ostsee; doch Bornholm erreichte er nicht. Nach fünf Stunden findet er sich in den Lichtkegeln der Schnellbote des Warschauer Pakts wieder, der gerade in der Gegend ein Flottenmanöver veranstaltet. Unerkannt aber resigniert paddelt er zurück. Er gibt nicht auf. Der erste Fluchthelfer ließ ihn in kalter Winternacht im Regen stehen. Und der dritte Versuch ging auch beinahe schief. Er sollte nämlich als Erkennungszeichen einen Flachmann mit Jägermeister in der Hand halten und auf Ansprache lallend antworten: in der Kälte brauche man Schnaps. Es gibt aber keinen Jägermeister am Kiosk und Oskar hält verzweifelt eine kleine Flasche Underberg in die Höhe. Er wird trotzdem erkannt und rumpelt im Kofferraum mit trockenem Mund über die Grenze in den goldenen Westen. Inzwischen hat er sich edleren Getränken zugewandt. Ich hab seine Hausbar überprüft; es finden sich dort nur noch erstklassige Spirituosen.
Nach den üblichen hochnotpeinlichen Befragungen durch die Alliierten und den BND kann Oskar in den Schoß der Alma Mater zurückkehren - dank seines unermüdlichen Fleißes. Erst als Assistent in Tübingen bei Niels Birbaumer, dann als Professor in Düsseldorf und schließlich als Ordinarius für Klinische Psychologie in Bonn, wo er im letzten Jahr emeritierte. OB Scholz hat 8 wissenschaftliche Bücher geschrieben: Die ersten drei behandeln ehelichen Krisen, das nächste den Schmerz und dann eins über das Wohlbefinden und außer einer forensischen Monografie über Schuldfähigkeit wendet er sich dann der Hypnotherapie zu. Das ist doch eine gute Entwicklung von Paarproblemen über Schmerz und Schuld zur Therapie und Wohlbefinden.
Außerdem kann er auf 150 Publikationen blicken; 120 aus dem Bereich der Klinischen Psychologie und 30 aus der Allgemeinen und Angewandten Psychologie. In den letzten zehn Jahren hat Oskar Bernd Scholz seine Forscher-Energie dem Studium der hypnotischen Phänomene und der Hypnotherapie gewidmet und wichtige Beiträge zur Anerkennung der Hypnose in der wissenschaftlichen Welt, im deutschen Sprachraum und international geleistet.
OB Scholz ist ein vielseitiger Mensch. Er lässt es nicht bei einer akademischen Karriere bewenden. Er liebt die schönen Künste. Das zeigen schon einige seiner Experimente, in denen er die psychologische Wirkung der Musik untersucht hat. Oskar malt Gemälde mit eindruckvoller Farbintensität und Dramatik und seine nimmer ruhende Hand legt auch den Griffel nicht weg, wenn die Forschungsberichte geschrieben sind. Dann schreibt er Novellen. Aber wir betrachten hier seine Forschertätigkeit.
Er fand am Beispiel der Therapie von Schlafstörungen, Neurodermitis und Allergien, dass in der Hypnose suggerierte Metaphern wirksamer sind als imaginierte Bilder. Vermutlich, weil in Metaphern der Protagonist tätig ist und auf diese Weise im hypnotisierten Zuhörer Handlungsschemata aktiviert werden und nicht nur visuelle Gedächtnisspuren. Und selbst stille Bilder der hypnotischen Imagination sind noch besser als reine Entspannung.
In den Untersuchungen mit seiner Mitarbeiterin, Frau Konradt, die im letzten Jahr den Nachwuchsförderpreis der MEG erhalten hat, wurde die aus Praxis geläufige Zeitverzerrung in der Hypnose experimentell bestätigt, was mit einer stärkeren Fokussierung auf die Vorstellung der ablaufenden Handlungs- und Wahrnehmungsprozesse in der Hypnose und das Ausblenden der Zeit erklärlich wird. Ein anderes Phänomen, ihn interessiert ist die hypnotische Induktion positiver bzw. negativer Stimmung und wie weit sie durch geeignete Begleitmusik gefördert wird OB Scholz macht nicht nur akademische Experimente, die der theoretischen Fundierung der Hypnotherapie dienen. Er tritt auch vor breites Publikum und weist auf die Wirksamkeit und die Ökonomie der Hypnotherapie hin. Zur Zeit beschäftigt sich OB dem Nachweis der Wirksamkeit und den Bedingungen posthypnotischer Suggestionen.
Bei allen Untersuchungen bedient er sich jeweils einer gründlichen und hoch entwickelten statistischen Methodik und nutzt Verfahren wie Signal Detection Theorie, Zeitreihenanalyse und randomisierte Gruppenexperimente zusammen mit einer ausgeklügelten experimentellen Technik, die zeigt, dass ihm die ganze Bandbreite der psychologischen Forschungsmethodik zu Gebote steht. Seine Studien werden stets dem neusten Stand der Forschung gerecht und haben geholfen zu zeigen, dass Hypnose nicht nur ein interessanter, sondern auch handfester und anwendungsbezogener Forschungsgegenstand ist.
Nun könnte er sich zwar als Emeritierter zur Ruhe setzen. Aber das ist nicht seine Art; er hört nicht auf zu forschen - und das ist was die Hypnotherapie braucht, jemand der nach den Regeln der Kunst die Phänomene und Gründe untersucht, warum die Hypnotherapie ein so viel versprechendes Verfahren ist und der nicht aufhört, ihre Position in der akademischen Welt und der Öffentlichkeit zu stärken.
Für diese Verdienste lieber Oskar, möchte Dich die MEG mit diesem Preis ehren.

 
Druckversion