Laudatio für Prof. Dr. D. phil (Oxon) Ulrike Halsband

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde und ganz besonders: sehr verehrte Frau Prof. Halsband, liebe Ulrike! Wollte ich damit beginnen, von Tradition zu sprechen, die mit der Verleihung des Preises verbunden sei, so würde ich sowohl die Intentionen der M.E.G. als auch den Großzügigkeit des Donator, unserem Ulrich Freund, herabwürdigen. Der Preis ist wie eine Trophäe, der nur ganz wenigen zufällt. Zum einen wurde der Preis nämlich an Vertreter vergeben, die sich um die Förderung der europäischen Hypnoseforschung und Hypnotherapie verdient gemacht haben. Zum anderen ist der Preis an eine stattliche Summe Geldes gebunden. Und immerhin wurde der Preis erst vier Mal zugesprochen. Erster Preisträger war Vladimir Gheorghiu. Dann folgte Herr Wikström aus Schweden und Herr Kleinhautz aus Israel. Im vergangenen Jahr wurde Dirk Revenstorf diese Auszeichnung zuteil. Und nun beehrt sich die M.E.G., diesen Preis Dir, liebe Ulrike, anzutragen.

Du bist die erste Frau, der diese Würde zufällt. Aber nicht deshalb, weil Du eine Frau bist, verdienst Du diese hohe Auszeichnung. Man könnte glattweg auf solche Gedanken kommen, wenn man über die Symbolik des Preises ein wenig reflektiert. Da sitzt eine Dame auf einem Stier und reitet davon. Die Frau als Vorreiterin! Indem der Preis Dir, liebe Ulrike in diesem Jahr zugeeignet ist, wird weder das möglicherweise anklopfende schlechte Gewissen der männlichen Vertreter der M.E.G. beruhigt, noch sind meines Wissens irgendwelche Proporzüberlegungen angestellt worden. Der Preis geht an Dich, weil Du ihn verdient hast; weil man Dein wissenschaftliches Werk auf dem Gebiet der Hypnoseforschung ehren möchte. Hier sei eingeflochten, dass der M.E.G.-Preis nicht einmal der erste Preis ist, der an Dich geht. Bereits im Jahre 1997 wurde Dir an der Universität zu Turku (Finnland) der Alexander-von-Humboldt-Preis verliehen. Finnland, das war eine für Dich sehr bedeutsame wissenschaftliche und wahrscheinlich auch bedeutsame persönliche Station. Ich begrüße in diesem Zusammenhang sehr herzlich Deinen lieben Mann, der Dir gewiss ein treuer Begleiter und kritischer Berater bei Deinen Forschungen gewesen ist. Er und Finnland, das sind besonders schöne Glieder in der Kette Deines wissenschaftlichen Wirkens. Angefangen hat Dein wissenschaftliches Denken in England. In Brighton hast Du Biologie und Englisch studiert, bevor Du Dich dem Studium der naturwissenschaftlichen und experimentell orientierten Psychologie widmetest. In Oxford wurdest Du promoviert; dann standen Dir die Türen der Universitäten Bielefeld, Kiel, Düsseldorf, Tohoku in Japan, Tübingen und Freiburg offen. Seit 1999 hast Du die Professur für Neuropsychologie an der Albert-Ludwigs-Universität inne. Außer 4 Monografien enthält Dein wissenschaftliches Oevre 35 Beiträge in teilweise international renommierten Zeitschriften, 13 Buchbeiträge und 59 Kurzbeiträge. Das sind Zahlen, die in der Tat eine erhebliche wissenschaftliche Produktivität repräsentieren! Wenn bereits unsere Eltern- und Großelterngeneration schon festzustellen wussten: „Ohne Fleiß kein Preis!“, dann wirst Du die Wahrheit dieses Sprichwortes ganz bestimmt bezeugen können. Und ist es nicht auch so, dass in der Wissenschaft etwa 5% Genie und 95% Fleiß sich zu dem vereinen müssen, das man dann Wissenschaftler, Forscher oder Gelehrter nennt? Dein bisheriges Wirken ist ein gutes Beispiel für das Gesagte. Als ich Deine sogenannten Personalunterlagen las, da kam nicht nur einmal in mir der Gedanke hoch, wie oft in Deinem Leben Du wohl auf private Annehmlichkeiten zu Gunsten von beruflichen Pflichten, Anforderungen oder Erwartungen geopfert hast. Aber das ist wohl ein Gedanke, der hier nicht fortgetragen zu werden braucht! Mir scheint naheliegender zu sein, dass von den hier Versammelten einige Personen Deine Entwicklung zur Hypnoseforscherin bzw. zur Hypnotherapeutin kennenlernen mögen. Nun, das ist kein Geheimnis, aber man kann es nicht in einem Satz darlegen. Du selbst legst die Wurzeln des Interesse an der Hypnose in jene Zeit, in der andere ihr Hauptinteresse auf Disco-Besuche oder in die Einübung der generativen Geschlechterrolle legten. Der in 1934 erstmals erschienene Klassiker „Die Technik der Hypnose“ von L. Mayer hatte es Dir während Deiner Gymnasilazeit angetan. In Oxford dann gehörten die Hypnosebücher „Hypnosis in Practice“ von Laurence Shaw (1977)und „Modern Hospital Hypnosis“ von David Scott (1974) zum Bestand Deiner Studentenbibliothek. Aber Theorie ist das eine! Den praktischen Zugang zur Hypnose fandest Du erst viele Jahre später. Es war das Jahr 1997. Damals warst Du wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Niels Birbaumer, unserem gemeinsamen Freund und Förderer, in Tübingen. Was Wunder, dass Du alsbald Kontakt zu Dirk Revenstorf herstelltest. Er war es, der Dich motivierte zur Ausbildung in der M.E.G. Ihr arbeitetet unter einem Dach in der Gartenstraße, und so hattest Du besonders leichten Zugang zu den vielen Prospekten, die in seinem Arbeitszimmer werbend herumlagen. Aber Dirk Revenstorf hat Dich nicht nur zu einer fleißigen und überaus neugierigen Ausbildungsteilnehmerin motiviert. Er hat Dir auch gezeigt, wie Du selbst von hypnotischer Intervention profitieren kannst, indem er Dich lehrte, wie Du mit den Ängsten vor dem gefürchteten Habilitationskolloquium an der Düsseldorfer Universität umgehen kannst. Übrigens: Tübingen und Düsseldorf – das sind zwei Stationen unseres gemeinsamen Wirkens, aber wir hatten niemals die Möglichkeit einer Zusammenarbeit, weil mich der Wind der Wissenschaften woandershin trieb als Dich. Wenn ich soeben davon sprach, dass Du eine fleißige und überaus neugierige M.E.G.-Schülerin warst, so kann ich mir gut vorstellen, dass so mancher Deiner Trainer nicht nur einmal in gewisse Argumentationsbedrängnis vor Deinen Fragen gekommen ist. Davon mögen Liz Lorenz-Wallacher, Burkhard Peter, Hans Riebensahm, Gunther Schmidt und nicht zuletzt Bernhard Trenkle Zeugnis ablegen. Wie tiefgründig und wie leidenschaftlich solche Diskurse waren, das sei dahin gestellt. Wohl aber warst Du allenthalben eine faire, liebenswürdige und kooperative Diskussionpartnerin. Von einer Laudatio erwartet man, dass sie auch hervorstechende Beispiele jener Leistungen gibt, für die eine Preisträgerin sich verdient gemacht hat. Ich will dies hier mit jenen Deiner Forschungen tun, die zu den Mechanismen des Lernens in Trance Auskunft geben. Ausgangspunkt ist die allenthalben bekannte Tatsache, dass Trance zu einer Erhöhung der bildhaften Repräsentation führt. Du hast gezeigt, dass die Bildhaftigkeit unabhängig von der Sinnesmodalität ist, die in Trance angesprochen wird. Du, liebe Ulrike, hast aber auch nachgewiesen, dass die Bildhaftigkeit für konkrete Applikationen größer ist als für abstrakte. Und wie hast Du das gezeigt? Du ließest Deine Probanden Wortassoziationspaare lernen, die entweder visuell oder auditiv dargeboten wurden. In der sogenannten Abrufphase hast Du dann jeweils ein Wort entweder visuell oder auditiv offeriert. Die Probanden sollten dann das dazu gelernte Wort wiedergeben. Diese Abrufphase erfolgte einmal im Wachzustand und einmal in Hypnose. Der Prozentsatz der richtig wiedergegebenen Worte war etwa gleich hoch bei visueller und bei auditiver Darbietung. Doch Du wärst nicht Neuropsychologin, wenn Du nicht gleichzeitig „nachgesehen“ hättest, was sich während des Abrufprozesses im Hirn ereignet. Anhand von PET-Scans konntest Du zeigen, dass in der Abrufphase unter Hypnose nicht anders als unter Wachbedingungen es zu einer bilateralen Aktivierung im präfrontalen Cortex und im anterioren cingulären Cortex kommt. Der präfrontale Cortex ist verantwortlich für höhere kognitive Prozesse unter Einbezug des individuellen emotionalen Zustands und er besitzt eine große Bedeutung für die Persönlichkeitsstruktur. Vom Cingulum wissen wir, dass es Informationen eine Anmutungsqualität verleiht. Und was bedeuten diese Deine Forschungsergebnisse? Ganz einfach formuliert kann man sagen: In Hypnose möglichst anschauliche, konkrete Suggestionsreize gleich welcher Sinnesqualität applizieren! Diese sollten eine positive emotionale Valenz haben! – „Das wusste ich doch schon alles, bevor diese Untersuchungen überhaupt angestellt worden sind!“, so werden sich einige denken. Dem ist entgegen zu halten: „Das haben Sie geglaubt! Dieser mit Gewissheit ausgedrückter Vermutung waren Sie erlegen!“ Einen wirklichen Beleg für diese Vermutung gab es erst, seit die Freiburger Arbeitsgruppe um Ulrike Halsband diese Untersuchungen anstellte. In einer Novelle von Ottmar von Freiberg, einem Schriftsteller mit psychologischen Tiefgang, habe ich den Satz gelesen: „Denn die Gegenwart belhnt die Fleißigen; die Zukunft allerdings belohnt die Geduldigen.! – Indem Du. liebe Ulrike, für Dein fleißiges wissenschaftliches Wirken jetzt belohnt wirst, dürfen wir, die wir hier versammelt sind, hoffen, dass wir auch in kommenden Monaten und Jahren von Deinen Forschungen und Lehren profitieren werden. Es wäre jedenfalls ein Gewinn, wenn Hypnose nicht nur als eine hilfreiche Anwendung praktiziert, sondern auch in der von Dir verfolgten Strategie wissenschaftlich bearbeitet werden würde. So bleibt mir denn, Dir fürderhin alles Gute zu wünschen, damit unsere Wissen über Wesen und Wirken der Hypnose differenziert und kund getan wird. Dabei vertrauen auf Deine produktive und kreative Unruhe in der Forschung und auf die Klarheit Deiner Worte und auf die Geduld, mit der Du uns Deine Erkenntnisse vermittelst. Das wird zum Wohl der Hypnose und der Hypnotherapie sein. Und dafür danken wir Dir!
Prof. Dr. O. Berndt Scholz, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität

 
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