Laudatio für Prof. Dr. Dirk Revenstorf

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als ich mich für diese Laudatio systematisch mit Leben und Werk von Dirk Revenstorf beschäftigt habe, erfuhr ich eine Art reframing-Erlebnis, wobei ich den zu Lobenden im Rahmen meiner Vorbereitungen sozusagen mit neuen Augen sah. Was im üblichen kollegialen Kontakt oft nicht so beachtet wird - und hier spielt sicher auch Dirks angenehm unprätentiöses Auftreten eine Rolle - wurde mir im Rahmen der Laudatorenrolle wieder einmal klar, nämlich welche außerordentlichen Leistungen Dirk in seiner Laufbahn als Hochschullehrer und Psychotherapeut vollbracht hat.
Ich möchte Sie einladen, gemeinsam mit mir einen Rückblick auf Stationen seines Leben zu unternehmen: Nach dem Studium der Chemie, Philosophie und Psychologie in Hamburg promoviert er 1973 bei Rudolf Cohen in Konstanz über die Adaptation deutscher Emigranten in Israel. 1979 habilitiert er sich bei J. C. Brengelmann in München über Interaktionsforschung. In dieser Zeit nimmt er auch Forschungsstipendien in USA und Israel wähl. 1969 - 1979 ist er Assistent und Bereichsleiter am Max Planck Institut für Psychiatrie in München. Seit 1979 ist er Professor für Klinische Psychologie an der Universität Tübingen, 1995 - 1997 Gastprofessur an der Universidad de las Americas in Puebla, Mexico. 1984 - 1996 ist er Vorsitzender der Milton-Erickson-Gesellschaft für klinische Hypnose (M.E.G.). Seit 1996 ist er Präsident der Akademie der M.E.G. Er ist Gründungsmitglied der Deutsch-Chinesischen Akademie für Psychotherapie. Von Dirk Revenstorf liegen insgesamt über 150 wissenschaftliche Publikationen und 16 Fachbücher vor. Lassen Sie mich einige wichtige Publikationen hervorheben: (l.) Psychometrie: Veröffentlichungen zur Faktorenanalyse (1976), zur Zeitreihenanalyse (1979), zur Therapie-Evaluation und klinischen Signifikanz kennzeichnen seine methodische Grundhaltung bei der Analyse von Therapieeffekten. Dabei wird auch die Skepsis gegenüber den Verkürzungen durch eine Mathematisierung in der Psychologie deutlich. (2.) Ehe und Paartherapie: Empirische, praktisch und theoretische Arbeiten zur Paarbeziehung (1999, mit Hahlweg und Schindler 1981) markieren ein anderes Gebiet, in dem methodisches und therapeutisches Interesse zusammen treffen; hier wird auch der Bezug zum Lebensalltag in der Suche nach Liebesglück thematisiert (2000a). (3.) Gestalttherapie und Körpertherapie werden von ihm als wichtige Ansätze beschrieben, um in einer integrativen Psychotherapie den emotionalen Zugang zu berücksichtigen (2000b). (4) Klinische Hypnose: Nach Therapieausbildungen in Verhaltenstherapie (bei Brengelmann in München), Gestalttherapie (bei Polster in San Diego; 1998) begann sein Interesse an Hypnose und Hypnotherapie Anfang der 80er Jahre indirekt über kritische Untersuchungen des Neurolinguistischen Programmierens (NLP), die er 1984 als Hauptredner auf dem Ersten deutschsprachigen Kongress für Hypnose und Hypnotherapie nach Milton Erickson vortrug (1985). In den folgenden Jahren bezog sich sein theoretisches und praktisches Engagement vor allem auf eine Integration von Hypnose und Verhaltenstherapie, wobei Hypnose auch wegen ihrer Bedeutung für subliminale Prozesse und vor dem Hintergrund einer konstruktivistischen Theorie den Stellenwert einer besonderen Form von kogntiver Therapie einnimmt (1987, 1991, 1996). Diese Bemühungen trugen dazu bei, dass Hypnose in Deutschland in verhaltenstherapeutischen Behandlungen seit Ende der 1980er Jahre eine auch von Psychotherapiegutachtern problemlos akzeptierte und von Krankenkassen bezahlte Behandlungsmodalität wurde. Eine erste ausführliche Übersichtsarbeit und Metaanalyse zur Wissenschaftlichkeit von Hypnose (mit Prudlo1994) verhalf in Österreich zur Anerkennung der Hypnose als staatlich akzeptiertes Verfahren der Psychotherapie. Zur weiteren Fundierung der Wissenschaftlichkeit der modernen Form der Hypnotherapie initiierte Revenstorf eine Reihe von klinischen Untersuchungen. Auf das von ihm herausgegebene Lehrbuch der Klinischen Hypnose (1990) folgte das von ihm mit Burkhard Peter herausgegebene ausführliche Praxismanual (2001), das das zeitgemäße theoretische und praktische Wissen über Hypnotherapie in klinisch relevanter Form zusammenfasst. Revenstorfs wissenschaftliches Engagement (50 Publikationen zur Hypnose) haben zur Renaissance und Reputation von Hypnose und Hypnotherapie in den deutschsprachigen Ländern entscheidend mit beigetragen. Nun reichen die Leistungen sicher schon für einen Preis aus. Aber Dirk Revenstorf hat kürzlich noch einen weiteren wichtigen Beitrag geliefert. Er hat nämlich federführend - zusammen mit anderen Autoren und mit Förderung der MEG-Stiftung, der Milton-Erickson-Gesellschaft sowie der Deutschen Gesellschaft für Hypnose - eine gutbegründete Expertise zur Anerkennung der Hypnotherapie als wissenschaftliches Verfahren vorgelegt. Damit formuliert die Hypnotherapie in Deutschland zum ersten Mal ihr selbstbewusstes Selbstverständnis, eine eigenständige Form der Psychotherapie zu sein. Und wenn ich zurückblicke auf die Anfänge von M.E.G. und DGH - Ende der 70er bzw. Anfang der 80er-Jahre -, hätten wir damals doch nie gedacht, es einmal so weit zu bringen. Dies ist nun dank der unermüdlichen Arbeit Dirks in dem erwähnten Antrag eindrucksvoll geschehen und wird, wie immer die Beantragung ausgehen mag, den Status der Hypnotherapie in Deutschland nachhaltig stärken. 150 Artikel und 16 Fachbücher hat Dirk geschrieben. Wie hat er soviel schaffen können? Einfach, indem er diszipliniert und hart gearbeitet hat, was ich bei meiner Recherche unter Freunden und Bekannten bestätigt fand. Albrecht Schmierer erzählt z.B., dass man bei Dirk vor noch nicht allzu langer Zeit Termine nur morgens um 6 Uhr beim Frühstück und abends ab 23 Uhr beim Italiener bekommen konnte. Dazwischen wurde gearbeitet. Das hat sich nun durch den positiven Einfluß seiner ebenfalls wissenschaftlich arbeitenden Frau Elsbeth geändert, die wohl einen günstigen Einfluß auf die Genußseite in Dirk ausgeübt hat, über die er offensichtlich auch verfügt, wie seine vielfältigen Reisen und seine musischen Interessen beweisen. Heute kann man ihn übrigens - manchmal - auch vormittags erreichen. Dirk Revenstorf hat durch seine Arbeit und seine Persönlichkeit die M.E.G. gefördert und die Position der Hypnotherapie in Deutschland maßgeblich gestärkt. Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns einig, dass Dirk der diesjährige Preis der M.E.G. in besonderem Maße gebührt. Dieser Preis fügt sich gut zu dem Pierre Janet Award, den Dirk Revenstorf im Jahre 2000 von der International Society of Hypnosis erhielt. Ein Laudator ist kein Terminator. Selbstverständlich erwarten wir von Dir, lieber Dirk, dass es so weiter geht.
Bad Orb, 22.3.2003 Walter Bongartz

Wichtige Publikationen von Prof. Dr. Dirk Revenstorf:
Revenstorf D (1976) Lehrbuch der Faktorenanalyse. Kohlhammer, Stuttgart
Revenstorf D (1979) Zeitreihenanalyse: Methodik und Anwendungen. Beltz, Weinheim
Revenstorf D (1982/3) Psychotherapeutische Verfahlen, Bd. l - 4, Kohlhanmier, Stuttgart
Revenstorf D (1985) Kritik der "Struktur der Magie". In B Peter (Hrsg.) Hypnose uad Hypnotherapie nach Milton H. Erickson (S. 238-270). Pfeiffer, München
Revenstorf D (1987) Hypnose und Verhaltenstherapie. Hypnose und Kognition, 4, 10-21
Revenstorf D (Hrsg.) (1990) Klinische Hypnose. Springer, Berlin Revenstorf D (1991) Hypnose als kognitive Therapie (S. 213-252). In B Peter, C Kraiker & D Revenstorf (Hrsg.). Hypnose und Verhaltenstheiapie. Huber, Bern
Revenstorf D (1996) Klinische Hypnose. In J Margraf (Hrsg.), Lehrbuch der Verhaltenstherapie (Band l,S. 315-333). Springer, Berlin
Revenstorf D (1998) Gestalttherapie (S. 200-210) In Chr Kraiker & B Peter (Hrsg) Psychotherapieführer. Beck, München
Revenstorf D (1999) Klinische Hypnose. Geenwärtiger Stand der Theorie und Empirie. Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie 49 5-13
Revenstorf D (2000a) Liebe und Paartherapie. In S Sulz (Hrsg) Paartherapie (S. 119-142). CIP-Medien, München
Revenstorf D (2000b) Die Nutzung des Affekts in Psychotherapie (S. 91-116) In S Sulz (Hrsg) Emotionen in der Psychotherapie. CIP-Medien, München
Revenstorf D, Hahlweg K & Schindler L (1981) Partnerschaftsprobleme: Diagnose und Therapie. Handbuch für den Therapeuten. Springer, Heidelberg
Revenstorf D. & Prudlo U (1994) Zu den wissenschaftlichen Grundlagen der klinischen Hypnose unter besonderer Berücksichtigung der Hypnotherapie nach Milton H. Erickson. Hypnose und Kognition 11 (1+2) 190-224
Revenstorf D & Peter B (Hrsg) (2001) Hypnose in Psychotherapie, Psychosomatik und Medizin. Manual für die Praxis. Springer, Heidelberg

 
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