Laudatio für D.D.S. Per-Olof Wikström

1999 hieß der Preisträger des Milton-Erickson-Preises Dr. Per-Olof Wikström. Im Rahmen der von der Milton Erickson Gesellschaft veranstalteten Hypnotherapietage 1999 in Bad Orb wurde Per-Olof Wikström aus Schweden, der langjährige Präsident der Europäischen Gesellschaft für Hypnose (ESH) und Herausgeber der ESH-Zeitschrift Hypnos, bei einer festlichen Abendveranstaltung mit dem Milton-Erickson-Preis ausgezeichnet. Die zahlreichen Kongreßbesucher, die sich zur Preisverleihung eingefunden hatten, hatten nicht nur Gelegenheit, eine Reihe von humorvollen Reden der Gratulanten und des Preisträgers selbst zu genießen, sondern konnten sich auch an musikalischen Darbietungen wie z. B. der „Ode an die Freude“ von L. v. Beethoven erfreuen. Die Laudatio hielt Albrecht Schmierer aus Stuttgart, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Hypnose (DGZH).

"Ich habe heute die große Ehre und Freude, für Per Olof Wikström diese Laudatio halten zu dürfen. Peo ist Vorbild, Mentor, Papa und Freund nicht nur für die Familie Schmie rer, er ist dies auch für die ganze internationale Hypnosefamilie. Auch diejenigen, die noch nichts von ihm gehört haben, genießen hier und jetzt und schon lange die Ergebnisse seiner jahrzehntelangen Arbeit für die Hypnose. Ohne Peo hätte die Hypnose in Europa nicht diese Bedeutung und die große Anerkennung erreicht, an der wir alle partizipieren. Deshalb wurde er als Preisträger für den Milton-Erickson-Preis, gestiftet von Ulrich Freund, von der Jury ausgewählt. Nachdem hier im letzten Jahr Vladimir Gheorghiu als herausragender Wissenschaftler in der Hypnose- und Suggestionsforschung geehrt wurde, wird der Milton-Erickson-Preis der M.E.G. in diesem Jahr an einen Lehrer, Praktiker und Diplomaten der Hypnose verliehen, der sich vor allem durch seine natürliche Begabung, mit anderen Menschen konstruktiv, positiv und liebevoll zu kommunizieren, seinen Platz in der Geschichte der Hypnose verdient hat. Das heutige Datum, der 6. November, hat für die Schweden eine besondere Bedeutung: Am 6. November 1632 starb der „Heldenkönig“ Schwedens Gustav Adolf II als sieg reicher Feldherr in der Schlacht von Lützen gegen Wallenstein. Dieser Sieg wird von manchen Historikern als entscheidend für die Erhaltung des deutschen Protestantismus angesehen. Dieses für die Entwicklung Schwedens so bedeutsame Ereignis wurde von Peo Wikström während unserer dieser Laudatio vorausgehenden Gespräche mehrfach mit spürbarem Nationalstolz erwähnt. Per-Olof („Peo“) Wikström, geboren am 11. Oktober 1925, arbeitete als Zahnarzt mit Hypnose seit den Sechzigern. Früh schon engagierte er sich als Organisator und Trainer in der Hypnosefortbildung auf der ganzen Welt. Er war auf allen europäischen und den meisten internationalen Kongressen als Referent tätig. Er ist Ehrenmitglied in den meisten Hypnosegesellschaften und wurde kürzlich in Holland zum Ehrenpräsidenten der Europäischen Gesellschaft für Hypnose (ESH) ernannt. Seine bedeutendsten Auszeichnungen sind die Franz Anton Mesmer Medaille der Europäischen Hypnosegesellschaft ESH (1990), der Irving Secter Preis der Amerikanischen Hypnosegesellschaft (ASCH) 1991 und 1997 die Benjamin Franklin Gold Medaille der Internationalen Hypnosegesellschaft (ISH). Peo gab mit seinem diplomatischen Geschick, mit seiner liebevollen Beharrlichkeit und seinem Eintreten für europäische Eigenständigkeit den Ausschlag für die Gründung der Europäischen Hypnosegesellschaft (ESH) im Jahr 1978 und war ihr Gründungspräsident. Er ist Vorstandsmitglied der Internationalen Hypnosegesellschaft ISH seit 1982 und Diplomat des American Board of Dental Hypnosis (ABDH). Lange Jahre gab er die Zeitschrift HYPNOS heraus, die Verbandszeitschrift der schwedischen und gleichzeitig der Europäischen Hypnosegesellschaft. Er hat erfolgreich die eigenständige europäische Qualität in die internationale Hypnosearbeit eingebracht. Um die Verdienste von Per-Olof Wikström würdigen zu können, ist eine Betrachtung seiner Vita interessant: Sie kann einen Eindruck geben, wie Peo zu seiner großen Liebe Hypnose gekommen ist. Peo liebte schon immer die Musik und lernte Klavier, Akkordeon, Trompete und Cello so gut zu spielen, daß er als Entertainer mit „Wiener Musik“ im Kaffeehaus sein Taschengeld aufbessern konnte. Er löste sich schon sehr früh von seiner Familie, kurz nach dem Abitur zog er (im besten Einvernehmen mit seinen Eltern) von zu Hause aus. Er hatte sehr früh das Bedürfnis autark zu sein und auf eigenen Beinen zu stehen. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich als Musiker für Tanzmusik in einer klassischen Swing-Jazz Bigband. Er lernte leicht und spielte nicht nur sein Lieblingsstück „Margie“ auswendig. Deshalb hatte er auf seinem Notenständer die Schulbücher anstelle der Noten vor sich, um seinen Schulaufgaben nachzukommen. Auf die Frage, wo er das meiste für die Hypnose gelernt hätte, sagte Peo: „Aus dem Beobachten der Leute beim Musikmachen und Musik ist Trance“. Nicht nur das Leiten der Bigband, sondern auch das Beobachten der Leute, wie sie um zwanzig Uhr zum Tanzen kamen und wie sich ihr Verhalten im Verlauf eines feuchtfröhlichen Abends änderte, faszinierte ihn, und schulte seine Beobachtungsgabe. Zu seiner Schulzeit war in Schweden der Deutsch unterricht als erste Fremdsprache Pflicht. Deutsch versteht Peo gut, er spricht es auch, wenn nötig. Er sagt, daß es die sture Grammatikpaukerei war („die fünfte Deklination des Substantives“), die für ihn diese Sprache negativ besetzt hat. Bei seiner Musikertätigkeit fand er sich bald in der Rolle des Entertainers wieder, der durch seine locker wirkende Art ganz beiläufig Rapport bekommt und so durch seine angenehme Kommunikation zum gerne angenommenen Leader wird. Gleichzeitig schulte er so seine Beobachtungsgabe, denn durch Pacing, durch Spiegeln wird ganz natürlich Rapport aufrecht erhalten. Seine Schule des Lebens waren die Studien des Publikums im Tanzpalast. Die Vergänglichkeit der Liebe zwischen Menschen mußte er schon früh erfahren. Seine erste Ehe war nicht von Dauer, er hatte als junger Zahnarzt zwei Kinder mit einer wunderschönen Frau, die als Model damals schon durch Europa reiste. Seine zweite äußerlich und innerlich wunderschöne Frau Margret lernte er 1973 kennen und lieben. In Schweden gibt es schon eine lange und gewachsene Hypnosetradition, die erste „Magnetismus Gesellschaft“ wurde in Stockholm 1786 als Harmoniska Societeten (man muß diesen Namen einmal in Ruhe würdigen: „Harmonie Gesellschaft“) gegründet, nur wenige Jahre nach der Gründung von Franz Anton Mesmers eigener Gesellschaft in Frankreich. Weil es in Schweden normal war, als Zahnarzt mit Hypnose zu arbeiten begann Peo schon früh, bereits zum Ende des Studiums, sich für Hypnose zu interessieren. Und schon als junger Assistent wendete er Hypnose an. Er war beim ersten Dreijährigen Ausbildungsprogramm in Schweden dabei, besonders Peter Blight forderte die Kandidaten durch Tieftranceerfahrungen mit Hyperventilations-Abreaktionen heraus; er testete damit ihre psychische Stärke. Peo trat den Beweis an, daß er psychisch stabil war, er geriet in eine Ganz körperkatalepsie, hatte aber keine Abreaktion, wie die meisten anderen Kandidaten. 1973 arbeitete er im Organisationskomitee des sechsten ISH-Kongresses in Uppsala. Auf diesem Kongreß lernte er Kay Thompson, Bob Pearson und Erika Fromm kennen. Kay Thom pson und John Hartland wurden seine wichtigsten Lehrer, er nahm sich ihre Arbeit zu seinem Vorbild. Weitere Ausbilder von Peo waren David Cheek, Harold Crasilneck, Helen und John Watkins, Barry Evans, Ernest Rossi und Marlene Hunter. Konsequenterweise wurde er 1973 Mitglied der American Society of Clinical Hypnosis, als Kay Präsidentin der ASCH war. Sie nahm ihn als Co-Trainer auf viele Seminare und Kongresse in den USA mit. Von den europäischen Lehrern beeindruckten ihn vornehmlich Hanscarl Leuner (bekannt für das Katathyme Bilderleben), Heinrich Wallnöfer (Oberstufe des Autogenen Trainings) und Dietrich Langen (die gestufte Aktivhypnose), der maßgeblich an der Gründung der ESH beteiligt war. Gerhard Barolin, Alfred Katzenstein, Gualtieri Guantieri, Mirian Pajntar (Slowenien), Stanislav Kratochvil (Tschechien) und Vladimir Gheorghiu sind gemeinsam mit ihm weitere wichtige Vorkämpfer der europäischen Hypnose geworden. Meine Bitte, sich doch selbst zu beschreiben, kommentierte Peo mit: „Ich bin von Natur aus ein Entertainer, ein Ice-Breaker, und ich liebe es, meine Ziele zu erreichen“. Mit seinem Humor und seinem Enthusiasmus schafft er, auch schwierige Verhandlungen voranzubringen, dabei versteckt er jungenhaft charmant seine Begabung, konsequent ein Ziel zu verfolgen. Dafür war er immer zur Stelle, wenn es etwas zu tun, etwas zu organisieren gab. Mit seiner Begabung als Schlichter von verfahrenen Situationen (die Koryphäen der Hypnose scheinen manchmal sehr machtorientiert und wenig flexibel zu sein) hat er seine Position in der internationalen Hypnosegesellschaft gefunden. Peo wurde immer gebraucht, wenn scheinbar unversöhnliche Gegensätze und Interessen aufeinanderprallten. So wollten Martin Orne und Victor Frankel in den Siebziger Jahren eine Art „Hypnose Marshall Plan“ durchsetzen, in dem Europa zu einem abhängigen, amerikanisch beherrschten Anhängsel der amerikanischen Hypnosegesellschaft werden sollte. Auf dem ISH Kongreß in Glasgow sollten die Europäer als europäische Sektion der ISH als ESISH unter die Führung der ISH gestellt werden. Durch Peos kluge Intervention kam es jedoch zur Gründung der ESH und er schaffte es dabei mit fast allen beteiligten ein gutes Verhältnis zu behalten bzw. in diesem Prozeß zu beginnen, was in dieser Ausgangssituation und bei dem Charakter der amerikanischen Protagonisten der Quadratur des Kreises nahekam. Seine Diplomatie führte zu einer gleichberechtigten, eigenständigen und in freundschaftlicher Zusammenarbeit mit der ISH verbundenen Europäischen Hypnosegesellschaft. Damit wurde er zum verdienten Gründungspräsidenten der ESH 1978, die sich damals nur aus sieben nationalen Hypnosegesellschaften zusammensetzte. Seit 1982 ist er auch Mitglied im Board of Directors der ISH. Inzwischen hat die ESH 32 konstituierende Mitgliedergesellschaften und der nächste Kongreß der ESH wird 2002 in Italien unter der Präsidentschaft von Camillo Loriedo stattfinden. Der nächste ISH-Kongreß nächstes Jahr in München hat Walter Bongartz zum Präsidenten, der damals den ESH-Kongreß in Konstanz zusammen mit seiner Frau Bärbel so erfolgreich geleitet hat. Nach Walter wird Eva Banyai aus Bu dapest die nächste ISH-Präsidentin sein, auch sie war ESH-Präsidentin und so ist offensichtlich, welche Integration inzwischen stattgefunden hat. Peo hat die höchsten Ämter in der internationalen Hypnoseszene innegehabt, er ist mit allen wichtigen Persönlichkeiten befreundet und hat sich und seine Position dabei nie in den Vordergrund gestellt oder seine Beziehungen zu seinem eigenen Vorteil benützt. Er hat sie aber häufig eingesetzt, um jungen Kollegen Zugang zu wichtigen Veranstaltungen und Hypnoselehrern zu verschaffen. Er freut sich am Vermitteln und am Abgeben von Aufgaben an junge Hypnosebegeisterte. Wir, Gudrun und Albrecht Schmierer bekamen durch ihn die Gelegenheit in Brasilien, Belgien, Holland und Schweden als damals noch unbekannte Hypnosereferenten Erfahrungen und Freundschaften zu sammeln. In Rio trafen wir bei einem Aufenthalt in der Familie von Haehling-Lima: Lars Erik Unestahl, sowie den Erfinder der Terpsichore Trance Therapie (TTT), David Akstein. Bis heute in tiefer Trance-Erinnerung für alle Seminarteilnehmer ist unsere Tripelinduktion in Antwerpen mit Peo in Schwedisch, Gudrun in Deutsch und Albrecht in Englisch. Deine und Margrets Gastfreundschaft haben viele Besucher in Stockholm genießen dürfen. Peo engagierte sich neben Walter Bongartz und Burkhard Peter erfolgreich für die Aufnahme der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Hypnose (DGZH) als konstituierende Gesellschaft in die ISH. Denn schon 1973 war die B-Mitgliedschaft von Zahnarzthelferinnen in der schwedischen SSCEH Gegenstand von Diskussionen mit der ISH. Ein wichtiges Kind von Peo war und ist das 26 Jahre alte Journal Hypnos der Schwedischen Gesellschaft für Klinische und Experimentelle Hypnose (SSCEH), das er viele Jahre lang herausgab und in dem er bis heute den Teil „We and the World“ schreibt. Hypnos wurde 1990 zur Zeitschrift der ESH erweitert, und Peo hat durch die Werbung von über 150 Mitgliedern für die „Foreign Member Section“ ein einmaliges Reservoir an wichtigen Beziehungen für die SSCEH geschaffen. Gute und langjährige Freundschaften auf der ganzen Welt, zum Beispiel mit Kay Thompson, John Heartland, Erika Fromm, Peter Bloom und Beata Jenks sind nach Peos Aussage die Grundlage seiner robusten Gesundheit, letztes Jahr allerdings mußte er nach Abgabe seiner meisten Aufgaben durch einige schwierige Herzprobleme durch, er hat sich aber inzwischen ganz prächtig erholt. Peos internationale Auszeichnungen spiegeln seinen Werdegang wieder: Erster Ehrenpräsident des sechsten pan amerikanischen Hypnosekongresses in Rio de Janeiro 1978, Ehrenmitglied der schwedischen, der slowenischen, der italienischen, israelischen, polnischen Hypnosegesellschaften, 1982 wurde er Diplomat des American Board of Hypnosis in Dentistry (A.B.H.D.), das bis heute nur zwei europäische Mitglieder hat, 1990 wurde ihm die Franz Anton Mesmer Medaille der Europäischen Gesellschaft für Hypnose (ESH) in Konstanz verliehen, 1991 erhielt er den Irving Secter Preis der American Society of Clinical and Experimental Hypnosis (ASCH), 1997 die Benjamin Franklin Gold Medal der International Society of Hypnosis (ISH) in San Diego, die vor ihm Milton H. Erickson, Ernest Hilgard, Martin und Emily Orne und Josephine Hilgard als höchste Auszeichnung der ISH erhalten hatten. Alle vor ihm ausgezeichneten waren Amerikaner. Er erhielt diese Medaille von Peter Bloom mit dem Zitat seiner eigenen Worte: „We must build bridges between the Old and the New World.“ Inzwischen ist die Formulierung „Building Bridges of Understanding“ zum Schlagwort beider Hypnosevereinigungen geworden, der ESH und der ISH. Heute erhältst Du den Milton Erickson Preis der M.E.G. als über Jahre treuer und absolut zuverlässiger Freund, als Papa der Europäischen Hypnose und ich freue mich, Dir, lieber Peo mit dieser Laudatio einen kleinen Dank für das, was Du für die Hypnose und für uns alle getan hast, abstatten zu dürfen. Peo, wir lieben Dich!

 
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